Der Märktemix hat sich während der Pandemie stark verändert. Davor lag der Anteil Hotellogiernächte aus den Fernmärkten bei 24 % im Jahr 2019 und sank während der Pandemie 2020 und 2021 auf bis zu 6 %. 2022 zeichnete sich eine allmähliche Erholung ab, mit einem Anstieg auf 16 %, hauptsächlich weil Reisen ab März wieder weitgehend ohne Einschränkungen möglich waren. Mit zwei grossen Ausnahmen: In China, einem der wichtigsten Fernmärkte für die Destination Schweiz, blieb die Ausreise wegen restriktiverer Covid-19-Massnahmen das ganze Jahr stark eingeschränkt. Und der Markt Russland kam wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine ab März 2022 praktisch zum Stillstand.

Schweiz Tourismus ST begegnete der Pandemiekrise mit einer organisatorischen Weiterentwicklung. Sie sah unter anderem eine neue Märktestruktur vor, die dabei helfen soll, einen ausgewogenen Märktemix von 45 % Heimmarkt, 35 % Nahmärkte und 20 % Fernmärkte zu erreichen. Mit dieser soliden und breit aufgestellten Gästestruktur stärkt ST die eigene Resilienz und Agilität für kommende Krisen.

Nicht nur die weltweite Pandemie, auch länderspezifische Ereignisse oder Entscheide wie in Russland oder China hatten gezeigt, wie schnell sich die Situation für den Schweizer Tourismus ändern kann. Darauf muss das Tourismusmarketing, das möglichst nah bei den Gästen ist, schnell und agil reagieren. Deshalb wurde die Märktestruktur mit neuen Antennen-Büros noch näher an die potenziellen Gäste herangeführt.

Mehr Kundennähe und geteilte Märkteführung

Die Märkte wurden neu geleitet von einem Head Markets West in Person von Gilles Dind und einem Head Markets Ost in Person von Simon Bosshart – beide Mitglieder der ST-Geschäftsleitung (Gilles Dind bis Ende 2022).

Die physische Präsenz in den Märkten bleibt auch in Zukunft trotz Digitalisierung essenziell. Die Mitarbeitenden vor Ort verstehen die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse und kennen die geeigneten Plattformen und Botschaften, mit denen die Gäste und Kunden (z.B. Tour Operators, Reisevermittler, Medienschaffende und Content Creators) an den Touchpoints am besten erreicht werden können. Exemplarisch zeigen das die Märkteprojekte Swiss Friends in Korea, das Swiss Winter und Summer Camp Asia, die Chelsea Flower Show im Markt UK oder die Roadtrip-Kampagne, unter anderen mit Schauspieler Christoph Maria Herbst für Deutschland.

Märktepräsenz und Kundennähe werden mit neuen Antennen-Büros verbreitet und vertieft. Die «Antennen» werden von Einzelpersonen geführt, die vor Ort neue Kunden gewinnen und das Potenzial der entsprechenden Märkte innerhalb eines befristeten Zeitrahmens austesten. Die ersten beiden Antennen starteten Anfang Januar respektive Anfang November 2022 in Lissabon und Manila. Mit Riad und Tel Aviv sollen 2023 zwei weitere Antennen folgen. Geplant ist ein sukzessiver Ausbau von aktuell 35 auf insgesamt 40 Repräsentationen bis Ende 2024. Weitere potenzielle Zukunftsmärkte werden zentral aus dem Hauptsitz Zürich heraus betreut.

 

Prioritätsmärkte: 1 Million Hotellogiernächte und/oder ein touristischer Umsatz von mehr als CHF 150 Millionen, mindestens einmal in einem Zeitraum von 5 Jahren. Eine feste Vertretung und mit Einsatz des gesamten Marketing-Mix.

Aktivmärkte: Über 100 000 Übernachtungen, bzw. ein Median von 375 000 Übernachtungen. Feste Vertretung mit mindestens einem Mitarbeitenden vor Ort, mit Einsatz des gesamten Marketing-Mix.

Antennenmärkte: Metropolregion mit über 40 000 Hotellogiernächte pro Jahr in der Schweiz. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln sich auch auf kurze Sicht weiter. Temporäre Touchpoints mit einem Mitarbeitenden vor Ort, mit Fokus auf Key Media Management und Key Account Management.

Aufstrebende Märkte: Metropolregion mit den wirtschaftlichen Voraussetzungen, um das Reise- und Feriengeschäft für die Schweiz weiter zu entwickeln. Remote Management vom Hauptsitz oder einem Markt aus, mit ausgewählten Aktivitäten im Bereich Key Account Management und Key Media Management.

Welche Vorteile die neue Märktestruktur hat, erklären die beiden Märktechefs Gilles Dind und Simon Bosshart gleich selbst:

Gilles Dind / Simon Bosshart

Märkteleitung West / Märkteleitung East

Gilles Dind und Simon Bosshart, Anfang 2022 haben Sie beide offiziell die Leitung der Märkte übernommen und die neue Märktestruktur umgesetzt. Gilles Dind, inwiefern kann diese organisatorische Weiterentwicklung die Agilität und Resilienz der ST-Aussenstellen stärken?

Gilles Dind: Eine starke Präsenz in den Märkten ist ein grundlegendes Element für den Erfolg des Schweizer Tourismus. Die Tatsache, dass zwei Manager in unserer Direktion je eine Hälfte der Märkte betreuen, ermöglicht eine konstante und enge Verbindung zwischen dem Hauptsitz und unseren Teams vor Ort. In der heutigen, so unbeständig gewordenen Welt analysieren wir laufend Chancen und haben die Fähigkeit, schnell zu reagieren. Die bestehenden und geplanten neuen Aussenstellen sind eine klare Ansage bezüglich der Diversifizierung unserer Quellmärkte. Denn nichts ist für immer sicher.

Simon Bosshart, wo sehen Sie im nächsten Jahr die grössten Herausforderungen für unsere Märkte?

Simon Bosshart: Einerseits gilt es, die Erholung in Europa sowie im Heimmarkt trotz neuen Herausforderungen wie Inflation und Energiekrise weiterhin positiv zu beeinflussen. In den Fernmärkten werden wir uns darauf konzentrieren, die Schweiz im hart umkämpften internationalen Wettbewerb in der Pole Position zu halten. Hierzu werden wir die gesamte Klaviatur unseres Marketing-Mixes bedienen: mit zentralen wie lokalen Ausspielungen unserer Hauptkampagnen, oder dem Switzerland Travel Mart in Genf, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Gilles Dind, inwiefern unterscheidet sich ST bei der Marktbearbeitung von den grössten NTO-Konkurrenten?

Gilles Dind: Unsere grosse Chance bei ST ist, dass wir im Alltag sehr unabhängig und unternehmerisch funktionieren. Die Schweiz ist ein Land mit einem sehr stabilen politischen System. Dies ermöglicht es, mittel- und langfristig kohärente Tourismusstrategien zu entwickeln. Viele unserer Konkurrenten haben eine stärker institutionell geprägte Arbeitsweise, was ein Hemmnis darstellen und zu einem konventionelleren, weniger effektiven Marketing führen kann.