ChatGPT basiert auf dem Sprachmodell GPT (Generative Pre-trained Transformer), das mithilfe von Deep Learning eine menschenähnliche natürliche Sprache erzeugt.

Das Unternehmen OpenAI stellte ChatGPT im November 2022 erstmals der Öffentlichkeit zur Verfügung und verzeichnete bis Ende 2023 180 Millionen User weltweit.

Immer mehr Unternehmen integrieren GPT-Modelle in Produkte und Dienstleistungen: So investiert Microsoft beispielsweise massiv in künstliche Intelligenz (KI), unter anderem mit der eigene Suchmaschine Bing. Sie wird durch die GPT-Technologie verbessert. Google, die am häufigsten genutzte Suchmaschine, hat mit Bard sein erstes eigenes Chatbot-Modell entwickelt und im Dezember 2023 das neue KI-Modell Gemini vorgestellt.

Dank ChatGPT und Co. ist KI 2023 endgültig in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Welche Chancen sich dabei für die Tourismusbranche ergeben und welche Haltung Schweiz Tourismus (ST) bezüglich KI hat, erklärt Stefan Künzle, Head of Digital Management.

Stefan Künzle

Head of Digital Management

Stefan Künzle, das Digitalteam bei ST hat sich 2023 intensiv mit den Anwendungsmöglichkeiten von KI im Tourismus beschäftigt. Welches sind die wichtigsten?

Wir unterscheiden bei den Anwendungen zwischen Kern- und Supportprozessen. Bei den Kernprozessen geht es darum, wie wir mit KI neue Interaktionsformen mit potenziellen Gästen ermöglichen, um noch präziser auf deren Fragen und Wünsche einzugehen. Bei den Supportprozessen gilt es, das «daily business» kritisch zu hinterfragen: Wo kann KI effizienzsteigernd eingesetzt werden? Konkret konnten wir beispielsweise in der Sprachübersetzung, aber auch in der Erstellung von Werbemitteln eine hohe Automatisierung erreichen. Anderseits beleuchten wir konkret die Möglichkeiten, wie Marktforschungsdaten über ein KI-Chatbot niederschwellig allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugänglich gemacht werden können.

Die Schweizer Tourismusbranche ist sehr vielfältig – von der Bergbeiz über internationale Hotelketten bis zum Familienskigebiet. Wer sollte welche KI-Instrumente nutzen?

Ich bin überzeugt, dass gerade diese Technologieentwicklung für alle – ob Gross- oder Kleinstbetriebe – ein enormes Potenzial darstellt. Dank cloudbasierten Diensten können Tools bereits mit moderaten Investitionen gewinnbringend eingesetzt werden. So empfehle ich konkret, sich zuerst mit den KI-Basics zu befassen, danach interne Routinen zu hinterfragen und zu eruieren, wie KI dazu beitragen kann, diese effizienter zu gestalten. Vor allem in Betrieben, wo bislang die Skalierbarkeit eine Herausforderung darstellte, kann KI zur Lösung beitragen.

Was muss ich machen, wenn mein Hotel oder mein touristisches Angebot in personalisierten Reiseempfehlungen von ChatGPT auftauchen soll?

Der Aufbau der LLMs (Large Language Models) ist eine Blackbox bzw. geistiges Eigentum von OpenAI und anderen Anbietern von LLMs. Einerseits nutzen diese LLMs öffentlich verfügbare Informationen (ähnlich wie Google Search das tut), anderseits lernen sie durch die Interaktionen mit den Benutzern tagtäglich hinzu. Mein Tipp hier ist, sich eingehend mit der Qualität und Authentizität der eigenen Inhalte zu befassen und sich darauf vorzubereiten, dass diese Inhalte strukturiert für Drittsysteme lesbar werden.

Wie nutzt ST ChatGPT und andere KI-Instrumente? Sind Projekte dazu geplant?

ChatGPT bietet wohl den prominentesten Zugang zu einem LLM. Gleichzeitig muss betont werden, dass inzwischen unzählige LLMs entstanden oder in Entstehung sind. ST befasst sich konkret mit der «Conversational AI», um Gästen auf MySwitzerland.com ein kontextuelles and persönliches Erlebnis anzubieten. Hier greifen wir auf OpenAI zurück, reichern aber die Inhalte mit Echtzeitdaten wie SBB-Fahrplan, Hotelverfügbarkeiten oder mit dem Wintersportbericht an. Auf der anderen Seite evaluieren wir ein firmeninternes «GPT-System», womit wir zwar die Vorteile eines externen LLM nutzen möchten, anderseits aber wichtige Spielregeln implementieren können. So werden punktuell externe Aufrufe an ein LLM anonymisiert, um den Schutz des geistigen Eigentums zu gewährleisten.

ChatGPT und Co. bieten viele Chancen. Wie sieht es mit den Gefahren für den Schweizer Tourismus aus?

Das ist eine äusserst wichtige Frage. Nach dem anfänglichen Hype stelle ich fest, dass man sich zunehmend und berechtigt über die «Governance» Gedanken macht. Unternehmen, insbesondere im Tourismus, dürfen die Echtheit keinesfalls verfälschen. Die Schweiz in ihrer natürlichen und echten Form ist perfekt für die Bewerbung neuer Gäste. ST bekennt sich dazu, niemals mit künstlich generierten Inhalten zu werben. Eine weitere Gefahr «lauert» im Schutz des geistigen Eigentums. Gerade weil KI-Tools so niederschwellig sind, muss man das Bewusstsein schärfen, dass alle Abfragen kontinuierlich ein externes LLM trainieren. Es ist also höchste Vorsicht geboten, wenn es darum geht, welche Informationen ein Unternehmen verlassen sollen. Als Faustregel geben wir unseren Kolleginnen und Kollegen auf den Weg, dass sie nur Informationen auf ChatGPT teilen, die sie auch bedenkenlos auf Social Media publizieren würden.