Die Marketingmassnahmen der Tourismusbüros in den 13 Regionen und in den einzelnen Destinationen werden zu einem grossen Teil aus Tourismusabgaben der Gäste finanziert. Diese Gelder fehlten 2020 je nach Region und Destination massiv aufgrund des Einbruchs bei den Hotellogiernächtezahlen, verursacht durch die Pandemie Covid-19.

Sonntagsverkäufe und Alternativen zur Quarantäne wurden gefordert, um dem besonders stark betroffenen Städtetourismus zu helfen.

Wegen des kleineren Budgets mussten die Tourismusbüros teilweise Kurzarbeit einführen und ihre Marketingaktivitäten einschränken. Dabei lag der Gedanke nahe, alle Aktivitäten für die Fernmärkte einzustellen. Aufgrund der strengen, ständig ändernden Reisebeschränkungen, der nicht mehr erteilten Schengen-Visa und der stark eingeschränkten Flugpläne waren Reisen und Ferien in der Schweiz für Gäste aus Übersee ab März 2020 ohnehin praktisch unmöglich.

Antizyklisch arbeiten für die Tourismusbranche

Ein antizyklisches Handeln in den Fernmärkten ist jedoch unerlässlich, weil in den Fernmärkten grundsätzlich längere Vorlaufzeiten bestehen. Für den Individualtourismus etwa ein halbes Jahr, bei den Business-Events – je nach Grösse – ein oder sogar bis zu fünf Jahre.

Trotz der Pandemie und den damit verbundenen Reisebeschränkungen im Jahr 2020 galt für Schweiz Tourismus ST deshalb, die Aktivitäten in den Fernmärkten stellvertretend für die ganze Schweizer Tourismusbranche fortzusetzen. Denn als nationale Tourismusmarketingorganisation hat ST die Mission, für das Ferien- und Reiseland Schweiz neue Gäste zu gewinnen – insbesondere dann, wenn es den Destinationen selbst nicht mehr möglich ist.

«First Mover»-Vorteil nutzen

Für die Bearbeitung der Fernmärkte während der Pandemie brauchte es besonders viel Fingerspitzengefühl: Dank dem selbstentwickelten Market Indicator System (MIS) konnte ST die richtigen Marketingaktivitäten zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Tonalität und im richtigen Markt ausspielen. Das MIS erlaubt aber auch eine frühzeitige Antizipation der Gästeströme: Das verschafft ST strategische «First Mover»-Vorteile, sobald ein Ende der Pandemie absehbar ist. 

Keine Kompensation durch einheimische Gäste

Wie wichtig die Gäste aus den Fernmärkten für einen tragfähigen Schweizer Tourismus sind, zeigt ein Blick auf die Statistik: Die einheimischen Gäste generierten ab Juni (Wiedereröffnung Seilbahnen, Schifffahrt etc.) bis Oktober 2020 ein Plus von 12,6 % (+ 1,07 Millionen Hotellogiernächte), vor allem wegen eines Wachstums in den Bergen und auf dem Land.

Gleichzeitig verzeichneten die europäischen Gäste ein Minus von 49,5 % (– 2,8  Millionen Hotellogiernächte), obwohl Sommer- und Herbstferien in der Schweiz von Juni bis Mitte Oktober zumindest für die Nachbarländer ohne grössere Einschränkungen möglich waren. Der wichtigste Auslandsmarkt Deutschland verzeichnete in dieser Periode ein Minus von knapp 40 %.

Bei den Fernmärkten verzeichnete das Bundesamt für Statistik ein sattes Minus von 95,6 % (– 5,15 Millionen Hotellogiernächte von Juni bis Oktober 2020). Die fehlenden Überseegäste können also nie ganz durch einheimische und europäische Gäste kompensiert werden.

Persönliche Kontaktpflege in den Fernmärkten

In den Fernmärkten zählte die persönliche Kontaktpflege zu den wichtigsten Marketingaktivitäten. Aus diesem Grund intensivierte die Non-Profit-Organisation SCIB, die unter dem Dach von ST steht, die persönliche Kontaktpflege in Übersee und vertrat dabei auch die Partner in der Schweiz bei Märkteaktivitäten. Das erlaubte Partnern in der schwierigen Zeit, die eigenen Mittel kurzfristig zu reduzieren oder anderweitig einzusetzen – mit der Gewissheit, dank den SCIB-Experten trotzdem sofort bereit zu sein, sobald sich eine Erholung der Lage abzeichnen würde.

Auch im Bereich Key Account Management stellten die ST-Mitarbeitenden die Präsenz mit kreativen Aktivitäten sicher, die zum Teil hybrid oder ganz online stattfanden. So traf sich ST Indien 2020 mit über 6000 Tour Operators und nutzte dabei vor allem die populären Plattformen Zoom und Teams. Das ST-Team Indien stellte das Ferien- und Reiseland Schweiz generell vor, hielt aber auch die Teilnehmenden über die aktuelle Pandemiesituation in der Schweiz auf dem Laufenden.

In Seoul fanden neun hybride Workshops zwischen Juni und November 2020 statt, mit rund 180 Teilnehmenden. Im ersten Teil trafen die Travel Agents die Schweizer Partner online via die Plattform Teams. Der zweite Teil fand physisch statt – mit einem koreanischen Experten, der das Wanderland Schweiz vorstellte. Danach gab es als Auflockerung unter anderem eine Kochdemonstration für Rösti, der Schweizer Spezialität schlechthin.  

Gesunder Gästemix für Schweizer Tourismus

Für eine gesunde Schweizer Tourismusbranche braucht es einen Gästemix von 20 % Fernmärkten, 35 % Nahmärkten und 45 % Heimmarkt. Es lohnt sich deshalb, auf den Fernmärkten zu bleiben, bei gleichzeitiger starker Bearbeitung der Nahmärkte.